Koeppen,S. Strik, H. Workshop Neurologie, Neurotoxizität: non-pharmakologische Interventionen
Workshop Neurologie, Parallelsitzung 8, Zusammenfassung
Workshop Neurologie, Parallelsitzung 8, Zusammenfassung
Die Chemotherapie-induzierte Polyneuropathie (CIPN) stellt auch in Zeiten moderner onkologischer Behandlungsmethoden fortbestehend ein Problem dar, das die betroffenen Patienten bei deutlich verbesserten Überlebenszeiten über längere Zeit erdulden müssen bei eingeschränkter Lebensqualität. Frau Dr. Koeppen, LVR-Klinikum Essen, Universität Duisburg-Essen, legte bereits in der Plenarsitzung dar, dass ein Teil der Patienten dauerhaft von einer schweren Polyneuropathie betroffen ist mit überwiegend (schmerzhaften) sensorischen, teils aber auch motorischen und selten auch vegetativen Einschränkungen. Eine kausale prophylaktische oder kurative medikamentöse Therapie steht nach wie vor nicht zur Verfügung. Aber auch symptomatisch können lediglich die schmerzhaften Par- und Dysästhesien abgemildert werden, wobei hierfür nur der Effekt von Duloxetin wissenschaftlich belegt ist. Der hier vorgestellte Workshop befasste sich mit der Datenlage zur nicht-pharmakologischen Intervention bei CIPN.
Frau Dr. Streckmann, Sportwissenschaftlerin an der Deutschen Sporthochschule Köln und an der Universität Basel, stellte die Möglichkeiten von Bewegungsinterventionen im Verlauf einer CIPN vor. In der gut strukturierten Übersicht legte sie dar, dass durch die therapeutischen Anwendungen signifikante Verbesserungen der sensorischen und motorischen Funktion zu erreichen sind. Dabei betonte sie, dass neben Übungen zur Motorik und sensorischen Stimulation offensichtlich vor allem ein Gleichgewichtstraining erforderlich ist, um die beschriebenen Verbesserungen zu erreichen.
Die Effekte einer Vibrationstherapie erläuterte Herr Dr. Schönsteiner von der Klinik für Hämatologie und Onkologie der Universität Ulm. Die Systeme Galileo und Leonardo ermöglichen die Applikation von Vibration nicht nur im Stehen, sondern auch im Liegen. Die Anwendung wird stets von einem aktiven Trainingsteil mit motorischem Aufwärmtraining begleitet. Auch durch dieses Therapieregime, das ursprünglich zur Vermeidung von Knochen- und Muskelabbau in der Raumfahrt entwickelt wurde, können signifikante Verbesserungen der neuronalen Funktionen erreicht werden.
Ein weiterer Ansatz zum sensomotorischen Training bei CIPN wurde von Herrn Dr. Schmidt, Sportwissenschaftler am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel, vorgestellt. Wesentliche Bestandteile dieses umfassenden Trainingskonzeptes sind neben sensorischen Stimulationen Übungen zur Feinmotorik, Maximalkraft und zum Gleichgewicht. Studien zur Effizienz dieses Konzepts sind in der Rekrutierungsphase.
In der angeregten Diskussion wurde die Notwendigkeit betont, bei Studien zum Verlauf der CIPN nach onkologischen Therapieregimen zu unterscheiden, wie auch die verschiedenen neurologischen Symptomkomplexe nach den betroffenen Funktionsbereichen Sensibilität, Kraft, Koordination, Gleichgewicht und vegetative Funktionen zu differenzieren und so weit wie möglich im Verlauf zu quantifizieren. Speziellen Aspekten wie z.B. einer Restless legs Symptomatik sollte Beachtung geschenkt werden. Vor dem Hintergrund der Pathophysiologie der CIPN, soweit bekannt, wurden mögliche positive Auswirkungen der Therapien dahingehend erläutert, dass insbesondere das periphere Nervensystem über eine durchaus gute Regenerationsfähigkeit verfügt. Ein zu vermutender Effekt der passiven wie aktiven Interventionen ist die Ausschüttung von Wachstumsfaktoren wie z.B. brain derived neurotrophic factor (BDNF) oder nerve growth factor (NGF), die eine Regeneration der betroffenen Nerven stimulieren können.
Im Schlusswort fasste Herr Prof. Dr. Strik, Klinik für Neurologie, Bamberg, zusammen, dass im Gegensatz zu der ernüchternden Datenlage bei der pharmakologischen Intervention die Effizienz physikalisch-physiotherapeutischer Anwendungen bei der CIPN hinreichend belegt ist, um sie in die klinische Routine einzuführen. Dessen ungeachtet besteht Bedarf nach weiterführenden Studien, in denen nach verursachenden Substanzen und Details der angewandten Therapien stratifiziert wird, um die Behandlungen besser individualisiert anpassen zu können.